Und hier mein Senf zu Wonder Woman.
Ja, es ist ein
sehr guter Superheldenfilm. Wahrscheinlich sogar der Beste, den ich bisher gesehen haben.
Aber perfekt ist er nicht.
Fangen wir mal mit dem Offensichtlichsten an. Der Film müsste eigentlich "Wonder Woman and Steve Trevor" heissen.
Nachdem der Film die ausschließlich von Frauen bevölkerte Insel Themyscira verlässt, ist sie (und das kennen wir schon von Lara) eine Exotin in einer Männerwelt.
Man könnte zwar sagen, dass der Frauenmangel dem Setting (erster Weltkrieg) geschuldet ist, aber das ist ja irgendwie immer das Argument für mangelnde weibliche Repräsentation (merkwürdigerweise sogar in Fantasy und Science Fiction Welten). Aber selbst wenn man darüber hinweg sieht, ist es doch sehr auffällig, wie dominant Steve in diesem Film ist.
Ich sage nicht, dass die Story zwischen den beiden nicht funktioniert, denn das tut sie. Ich sage nicht, dass er eine problematische Männerfigur ist. Im Gegenteil.
Und ich sage auch nicht, dass es falsch ist, dass die Heldin romantisches Interesse an einem Mann hat.
Ich finde diesen "Einsamer Kämpfer" Heldentypus für beiderlei Geschlechter problematisch.
Aber mir kommt es durch Steves massive Präsenz und Wichtigkeit doch sehr so vor, als wurde es einer Frauenfigur nicht zugetraut einen solchen Film auf ihren eigenen Schultern zu tragen.
Als hätte man befürchtet, dass Männer einen Film über eine Superheldin nicht anschauen würden, wenn sie nicht dabei auch ihren eigenen Helden zu sehen bekämen.
Wie sollen Männer dann jemals lernen, sich mit Frauen und ihren Geschichten zu identifizieren, anstatt es als "Frauengeschichte" zu sehen?
Nun ja, und dann kratzt der Film doch teilweise in das "Born Sexy Yesterday" Trope.
Aaaaaah ein BABY, OMFG EISCREME.
Es gibt sogar die obligatorische Szene, in der sie sich "entblößt" (nach den Maßstäben der damaligen Zeit) und gar nicht kapiert, was das Problem ist.
Und natürlich muss sie sich in den allerersten Mann verknallen, der ihr im ganzen Leben begegnet.
Ich würde gerne mal einen Superhelden sehen, der über Babies und Eis ausflippt.
Rehabilitierend ist es, dass der Film sie ansonsten ernst nimmt, und sie nicht als Fantasie für die zentrale Männerfigur gezeigt wird. Sie darf weitaus mehr und komplexere Gefühle zeigen als man es von Protagonisten dieses Genres kennt. Zentrales Thema ist dabei wie ihr Idealismus und Pazifismus mit der Wirklichkeit der menschlichen Welt und des Krieges zusammen prallen.
Hier kommt es aber wieder zu dem alten Problem von Actionfilmen: Wie inszeniert man Gewalt in positiver Weise, ohne Gewalt zu verherrlichen?
Ein Film, der gleichzeitig eine Massenvernichtungswaffe in Person zelebriert und eine pazifistische Aussage hat, wird nicht ohne Widersprüche auskommen.
Das Thema ist natürlich reichlich kompliziert. Bedingungsloser Pazifismus wie "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin" ist problematisch und verbannt einen auf die Seite der Opfer und Verlierer, aber "Krieg für den Frieden" zu führen ist es auch. Oder wie George Carlin es überspitzt sagte: "Fighting for peace is like screwing for virginity."
Der Film zeigt zwar die Schrecken des Krieges und Dianas Entsetzen darüber, und manchmal ist Gewalt nun Mal wirklich die letzte Lösung.
Aber dann ist es immer eine Tragödie, die mit ethischen Widersprüchen einhergeht.
Deutlich wird die uneinheitliche Position des Filmes darin, dass sie die sadistische, verbrecherische Chemikerin verschont, aber die deutschen Männer, die aufgrund der Wehrpflicht quasi gar keine andere Wahl hatten als in den Krieg zu ziehen, sind nur Kanonenfutter, die keine Empathie verdienen...?
Waren das etwa keine Söhne, Väter, Ehemänner? Die meisten Soldaten wollen nach Hause und Leben behalten, und nicht für die Sache ihrer Anführer kämpfen.
Der einzige Superheldenfilm (von denen die ich gesehen habe), der den gesichtslosen Soldaten/Söldner, der für die andere Seite kämpft, überraschend als Menschen darstellt, ist ...Deadpool.
Was ich gelungen finde, obwohl es als Witz passiert, weil es einem auf subversive Weise die Erwartungshaltungen vorführt, die man über "menschliches Kanonenfutter" hat.
Nun ja, das war jetzt negativer als ich eigentlich vor hatte.
Was wirklich wichtig an diesem Film ist, ist dieser Aspekt:
"Meanwhile women are so starved for powerful images of women not filtered thru a boner lens that they’re watching WW and bursting into tears."
- Laura Hudson
Man hat ja auch nicht damit gerechnet, dass so viele Frauen Tomb Raider spielen würden, und das obwohl Lara nun ein sehr klassischer Fall von "Boner Lens" ist.
Aber es gibt nun Mal so wenig Darstellungen von starken, kompetenten Frauen, die sich außerhalb der Küche bewegen,
dass wir nehmen was wir kriegen können.
Lara Croft ist das was Indiana Jones für Männer ist. Und ja, Frauen WOLLEN auch solche Frauenfiguren sehen. Wir wollen auch Eskapismus und Power Fantasies haben.
Wir wollen auch Lichtschwerter schwingen, übernatürliche Fähigkeiten haben, verlorene Schätze bergen, die Welt retten, Geister jagen...
Ich denke wirklich, dass die Film- und Spieleindustrie das weibliche Publikum über Jahrzehnte in dieser Hinsicht komplett unterschätzt hat.
Gebt uns mehr solche Frauenfiguren und hört auf uns mit übersexualisierten, eindimensionalen Frauendarstellungen davon abzuschrecken, Genres wie Action, Abenteuer, Superhelden etc. anzuschauen oder zu spielen, und wir geben euch unser Geld.
Ebenfalls SEHR positiv: Dass die Amazonen Frauen aller Statur, Hautfarbe und Alter (ich glaube, das Durchschnittsalter der Amazonendarstellerinnen ist 41),
die so atlethisch und vernarbt aussehen, wie man es von Kämpferinnen erwarten würde.
Und da sieht man, warum es wichtig ist, dass auch hinter der Kamera Frauen stehen. Ansonsten hätten wir wahrscheinlich eine Armee aus generisch schönen 20 Jährigen mit endlosen Beinen und Porzellan-Teint zu sehen bekommen.
Bleibt die Frage: Warum nur wurden die Amazonen-Armee in den ersten Teil des Filmes verbannt?